Ich versuche gerade meinen Medienkonsum zu entschleunigen, auch, weil mich das tägliche Lesen von allerlei Nachrichten „online“, die zu einem Großteil aus „Was wir wissen und was nicht“ bestehen (dann schreibt es doch nicht auf, wenn ihr nur blöde rumratet, ihr Dödel…), mittlerweile eigentlich ständig in schlechte Laune versetzt und ich eigentlich gern auch mal gucken würde, was in meinem Internet so los ist, ohne jeden Tag Sodbrennen vom Weltgeschehen zu haben.
Derzeit habe ich ungefähr ein Dutzend verschiedene Nachrichtenseiten von nd und taz bis hin zur FAZ (Filterblasen sind Mist) in meinem RSS-Leser, den ich sonst eigentlich gern für Webcomics, Blogs und Ähnliches nutzen würde (tu’ ich auch), und ich fühle mich jetzt zwar informiert (FOMO, die einzige Sucht, die ich habe, die mich stört, ist befriedigt), aber es ist doch zu zeitintensiv. Was ich vorhabe, bedeutet erst mal Anstrengung (Ablegung meiner Gewohnheiten) für mich, aber Raucher schaffen es ja auch manchmal, ihre Sucht aufzugeben.
Leider (?) bin ich nicht hinreichend desinteressiert an der Inlandspolitik, dass ich auf wenigstens die wichtigsten Nachrichten des Tages verzichten kann, und in einer freien, entspannten Minute an einem Sonntag mal ein paar Hintergründe nachzulesen ist zumindest eine Option, die ich gern weiterhin haben würde. Ich denke insofern gerade darüber nach, meinen täglichen Informationskonsum quasi zu entpolitisieren und auf eine Kombination aus einer Art morgendlichem „Briefing“ und einer Wochenzeitung umzusteigen.
Ich vermute, wenn just in dieser Minute etwas wirklich Bedeutsames für mein Leben passiert (alle Fedditnutzer kriegen zwei Milliarden Euro und ein paar neue Unterhosen geschenkt, Natalie Portman will mich endlich heiraten, Deutschland wird komplett gelb angemalt, irgendwie so was halt), dann werde ich das auch erfahren, ohne bisweilen mehrmals stündlich selbst nachzugucken. (Pushnachrichten auf dem Smartphone sind auf dem Weg an mein Ziel ein gelöstes Problem. Die nutze ich quasi nicht.)
Beim „Briefing“ habe ich ja jede Menge (Newsletter-)Optionen, die öffentlich-rechtlichen Angebote eingeschlossen, da teste ich mich insofern noch durch. Bei politischen Wochenzeitungen habe ich allerdings inzwischen den Eindruck, meine Ansprüche sind einfach zu hoch:
- Ich hätte gern Papier. Ja, so einer bin ich. Wenn ich irgendwas am Bildschirm tun muss, um die Nachrichten zu lesen, dann ist das Doomscrolling und/oder die Ablenkung durch „weiterführende Links“ selten weit und dann ist der ganze Plan schon wieder im Eimer. Das lässt reine Onlinemagazine und (hierzulande) viele ausländische Zeitungen schon mal entfallen.
- Ich möchte Informationen und keine Spekulationen lesen und ich mag Texte, die nicht klingen, als wären sie für sehr dumme Menschen geschrieben worden. Axel-Springer-Produkte - und ich habe bereits in der papiernen WELT geblättert und war nach drei Seiten schon genervt - sind damit raus.
- Ich möchte Informationen und keine Meinungen lesen, keine rührenden Geschichten. Dafür gibt es Blogs, dafür braucht kein normaler Mensch eine Zeitung. Der Freitag (die aktuelle Papierausgabe habe ich vorhin erst gelesen und hatte mir wirklich mehr von einem Blatt erhofft, das mit dem Guardian zusammenarbeitet), SPIEGEL und ZEIT (die Titelseiten reichen meist schon) sind damit auch raus.
- Ich bin ein einfacher Mensch, ich habe kein großes DAX-Unternehmen zu führen und wohne außerdem weder in Berlin noch in Zürich. Handelsblatt, Tagesspiegel und NZZ (ganz abgesehen vom politischen Drall) sind daher für mich in großen Teilen schlicht nicht relevant.
- Jede Zeitung hat eine Richtung, aber allzu offensiver Journalismus ex cathedra erscheint mir beim effizienten Informierenlassen nicht hilfreich, weshalb ich die (wochen-)taz, das nd und den rechten Kram (die einschlägige Polisphere-Grafik, die auf r/de herumgereicht wurde, war da ein guter Vorfilter) nicht zu berücksichtigen vorhabe.
Deutschland hat einen so etablierten Zeitungs- und Magazinmarkt und trotzdem scheinen mir die letzten verbliebenen Optionen für mich die Wochenendausgaben von FAZ und SZ sowie (ergänzend) die Le Monde diplomatique zu sein. Irgendwas mach’ ich falsch…
(Das ist jetzt wahrscheinlich mehr ein Rant als eine Frage, aber so was hab’ ich immer gern aus mir rausgeschrieben. Da schlafe ich besser.)
Ich denke auch, es gibt vernünftige Sonntagszeitungen. Sonst wüsste ich nichts in Papierform.
Unabhängig davon, wenn man nicht aufhören möchte aber ‘entschleunigen’, wäre sich einen festen Rahmen und ein Limit setzen vielleicht eine Option.
Ich habe meinen Feedreader irgendwann komplett deaktiviert und nicht mehr zurückgeschaut. Ich glaube für mich ist das die beste Wahl. Irgendwie habe ich am Ende des Tages auch nicht viel Bleibendes von dem ganzen Nachrichtenlesen.
Natalie Portmann will mich endlich heiraten
Gute Wahl
Finger weg, ich war zuerst da!
Hier bitte schlaues Anakin Padme Maimai einfügen
Ich weiß nicht, ob ich das Problem richtig verstanden habe, aber ich versuche, auf diese Weise damit umzugehen, ich kämpfe selbst damit und habe noch kein genaues Rezept.
Ich versuche, die Medien zu begrenzen, vor allem die Boulevardzeitungen. Ich weiß nicht, wie es in Deutschland ist, aber ich habe zum Beispiel die meisten Dinge von Axel Springer und anderen Medien aus meinen Quellen entfernt. In Polen gibt es einige wenige Bepaid-Medien, die von Menschen mit Crowdfunding-Spenden finanziert werden, ganz ohne Werbung und theoretisch ohne Unternehmensverbindungen. Solche Medien habe ich abonniert. Ich schieße, dass es auch ein bisschen deutschsprachige Medien dieser Art gibt.
Ich benutze oft die Leseansicht meines Browsers zum Lesen, so kann ich mich auf den Inhalt konzentrieren und nicht auf andere Links. Außerdem achte ich darauf, ob die Seite einen Haufen Links enthält, auf die ich klicken möchte oder nicht - wenn das der Fall ist, entferne ich sie lieber aus den Quellen - das lenkt ab und erzeugt FOMO.
In Ihrem RSS-Reader (je nachdem, welche Optionen Sie in Ihrer speziellen Software haben) können Sie einstellen:
- maximal einen Link von einer Quelle
- Link-Lebensdauer von z.B. einer oder zwei Wochen
So habe ich es gemacht, und ich will ehrlich sein und sagen, dass ich es geschafft habe, mich ein wenig vom Bildschirm zu lösen und nicht mehr so viel FOMO zu spüren wie früher, während ich immer noch relativ gut informiert bin. Leider habe ich verdammt viele RSS-Quellen, so dass ich immer noch viel von diesem Zeug lesen muss, aber ich habe es geschafft, einige Fortschritte zu machen.
Ansonsten gibt es noch Zeitungen auf Papier, aber da muss man auch vorsichtig sein. Ich lese zum Beispiel Le Monde Diplomatique, die Sie erwähnt haben.
Für RSS verwende ich Newsblur, das eine Menge filtern kann. Ich muss nur dringend die Anzahl an Feeds reduzieren.
Ansonsten gibt es noch Zeitungen auf Papier, aber da muss man auch vorsichtig sein.
Ja, leider. :-)
Vermutlich etwas zu unregelmäßig aber ich bin seit ich häufiger im Zug Pendel ein Fan der SZ Langstrecke geworden
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Ich fürchte, das ist ein bisschen wie mit der NZZ für mich. Österreich ist nicht unbedingt mein Umfeld.
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