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Gericht gibt Land Berlin recht: Zimmer von Flüchtlingen dürfen bei Abschiebungen ohne Richterbeschluss betreten, Handys eingesammelt werden.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin (OVG) hat die Rechte von Geflüchteten im Abschiebeprozess geschwächt. In einem Berufungsprozess, den das Land Berlin angestrengt hatte, weil es in erster Instanz gegen einen jungen Mann aus Guinea verloren hatte, entschieden die fünf Richter am Dienstag: Die Polizei darf das Zimmer eines Flüchtlings im Wohnheim betreten um ihn zur Abschiebung abzuholen.
Und: Das bloße Betreten des Raums sei kein „Durchsuchen“, das laut Grundsetzartikel 13 (Unverletzlichkeit der Wohnung) eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses bedurft hätte. Das OVG hob die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts in diesem Punkte auf.
Auch in einem zweiten Punkt stellte sich der 3. Senat unter Vorsitz von Richter Kai-Uwe Riese auf die Seite der Innenverwaltung: Die Polizei durfte K. Gegenstände wie Handy und Portemonnaie wegnehmen mit der Begründung, dass er sich selbst oder andere damit gefährden könnte und so seine Abschiebung hätte verhindern können.
Dies hatte auch die Vorinstanz so gesehen und K.s Klage in diesem Punkt abgewiesen. Dagegen war der Geflüchtete in Berufung gegangen – diese wies das OVG nun zurück.
Der Anwalt des Klägers, Christoph Tometten, kommentierte gegenüber der taz enttäuscht: „Wenn die Polizei ohne richterliche Kontrolle in Wohnungen eindringen darf, um Menschen zur Abschiebung abzuholen, haben wir ein Problem. Wenn die Polizei Mobiltelefone sicherstellen darf, nur weil sie von Menschen mitgeführt werden, die abgeschoben werden sollen, haben wir ein Problem. Ausufernde polizeiliche Befugnisse sind eines Rechtsstaats nicht würdig.“
Die Frage der Rechtmäßigkeit von Handywegnahmen ist ebenfalls von grundsätzlicher Bedeutung, dies geschieht ebenfalls häufig bei Abschiebungen – erst am Flughafen wird den Menschen ihr Telefon zurückgegeben.
Ziel sei offenkundig die Benachrichtigung von Anwälten zu unterbinden, die möglicherweise im letzten Moment die Abschiebung juristisch verhindern könnten, sagen Flüchtlingsorganisationen.
Rechtsstaat
Die Polizei begründet die Handy-Wegnahme dagegen regelmäßig mit Sicherheitsaspekten.
Wer kennt es nicht? Ich wurde auch das dritte mal diese Woche mit einem Handy abgestochen. Wird langsam nervig.
„Aber dass man ein Handy verschlucken oder einen Polizisten damit verletzen kann, ist völlig abwegig“, so Tometten zur taz.
Insofern verletze die Sicherstellung des Handy die Grundrechte der Betroffenen – aus diesem Grund hat der Anwalt auch die Zulassung zur Revision beantragt.
Doch auch dies lehnte das OVG ab. Das Verfahren währte am Dienstag insgesamt nur kurz: Nach 40 Minuten beendete Richter Riese die mündliche Verhandlung am Vormittag, gegen Mittag war das Urteil da.
Immerhin: Für Ibrahim K. persönlich ist die Sache nicht mehr von Bedeutung. Seine versuchte Abschiebung wurde seinerzeit am Flughafen abgebrochen, kurz danach endete die Frist, in der er nach Italien hätte rückgeschoben werden können. Im Mai vorigen Jahres bekam er eine Ausbildungsduldung und macht nun eine Ausbildung zum Maler und Lackierer. Bis 2025 kann er mindestens in Berlin bleiben.
Vor allem: Was soll der Quatsch? Wir wissen ja, wie wenig Richter bei Hausdurchsuchungen prüfen und das ist ein Problem, aber sorry, wenn die Polizei einen Abschiebebescheid durchsetzen will, dann ist es echt nicht besonders viel Aufwand, wenn sie dann auch kurz einen entsprechend diensthabenden Richter kontaktiert. Dafür muss man echt kein Grundrecht aushöhlen, die mangelnde Prüfung durch Richter ist da schon schlimm genug.
Und grundsätzlich ist die Beschlagnahmung von Handys mittlerweile auch total aus dem Ruder gelaufen. Handys dienen ja nicht mehr nur zum telefonieren, sondern haben ja auch eine Liste sämtlicher Kontaktpersonen, höchst private Kommunikation, Bankingapps, 2FA-Apps, Mobilitätsapps, Gesundheitsapps und so weiter. Das einfach zu beschlagnahmen ist eine eigentlich gar nicht zu begründende Grundrechtsverletzung.